Ich habe bei mir selbst und anderen festgestellt, dass die inneren mentalen und emotionalen Entwicklungsstufen, die wir im Leben durchlaufen, auch bei unserer Fähigkeit, um Hilfe zu bitten, nicht Halt machen: Je mehr wir uns persönlich weiter entfalten, ob bewusst und aktiv oder auch einfach so, umso leichter fällt es uns, um Hilfe zu bitten und/oder sie anzunehmen und zu empfangen. Und umgekehrt, wenn wir uns als abhängig oder auch unabhängig-und-stolz-darauf erleben, ist Hilfe von anderen fast unmöglich und eher eine Beleidigung, da wir sie als Ausdruck unserer persönlichen Unfähigkeit und Versagen verstehen. Hast du schon mal erlebt, dass jemand dir helfen wollte und du hast sie eher unwirsch zurückgewiesen, um dich dann eine ganze Weile selbst abzumühen? Also, ich kenne das zu genüge.

Nur, dass wir uns richtig verstehen, das alles ist Teil von unserer Entwicklung! Wir alle fangen in der Abhängigkeit an und schaffen uns dann hoffentlich irgendwie in die Unabhängigkeit. Doch heute möchte ich dich einladen, dort nicht stehenzubleiben, sondern weiterzugehen auf die Entwicklungs- und Bewusstseins-Stufe von Partnerschaft. Von Dr. Robert Holden, der übrigens gut mit Dr. Chuck Spezzano befreundet ist, hab ich neulich einen Gedanken gelesen, der frei übersetzt hieß: Wenn du das Gefühl hast, es nicht alleine zu schaffen, dann sollst du es auch nicht alleine schaffen.

 

Von unserer diesjährigen internationalen Psychology of Vision® Trainer-Konferenz habe ich mir einen Rat ganz besonders zu Herzen genommen: Bitte um Hilfe, bitte um Unterstützung! Nicht, weil du zu schwach oder zu doof wärst, es alleine zu schaffen, sondern weil helfen und geholfen werden glücklich macht und weil wir nur im Team ein größeres Spiel spielen können.

Letzte Woche habe ich mich erstmals der Bürokratie zugewandt, die mit einem Sterbefall einhergeht. Innerhalb von einer halben Stunde war ich völlig erschlagen, überwältigt und gelähmt. Meine Logik und meine Organisationsfähigheit versagten und meine Unvertrautheit mit der ganzen Materie kam an die Oberfläche. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte, alles schien sich gegenseitig zu bedingen und war völlig verknäult – und ich saß mittendrin und war einfach nur platt. Irgendwann kam mir aus irgendeiner noch funktionierenden grauen Zelle der Gedanke, dass es mit dieser Flaute von Energie überhaupt keinen Sinn machte, mich dieser Arbeit zuzuwenden (ich saß eh nur unnütz rum), sondern dass ich mich erstmal wieder innerlich aufrichten musste, damit es weitergehen könnte. Also fuhr ich zu einer meiner Anlaufstellen. Ich heulte mich ein bisschen aus, ich teilte meine verworrenen Gedanken und Unsicherheiten, und zusammen fingen wir an, das ganze in verdaubare Portionen aufzudröseln und schauten, wen ich bezüglich was fragen und wer mir bei was helfen könnte. Danach war natürlich noch nicht alles klar, geschweige denn in die Tat umgesetzt, aber mein Hirn war wieder einigermaßen sortiert, die Nerven beruhigt und die Perspektive wieder hergestellt. Und dann hieß es “einen Fuß vor den anderen”.

Dieses Beispiel hat mir wieder gezeigt, dass ich fast nicht früh genug um Hilfe bitten könnte. Wir sind es so gewohnt, uns alleine durchzuschlagen, bis es nicht mehr geht, dabei könnten wir es soviel einfacher haben! Und Menschen helfen gerne! Manchmal brauchen sie einfach nur, dass wir ihnen zeigen, dass und wie sie uns (freiwillig und ohne Aufopferung) unterstützen können. Es macht sie glücklich, genauso wie es uns glücklich macht, wenn wir helfen oder Hilfe empfangen.

 

Um Hilfe zu bitten ist ein Zeichen deiner Stärke. Hilfe anzunehmen und zu empfangen ist Ausdruck deiner Wertschätzung und Freundschaft für den anderen.
Für was und wen könntest du heute um Hilfe bitten? Es wäre für euch beide ein Gefallen und eine Ehre!

 

Anne-Kathrin Koch

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